Man kann es zwar als „Verzicht“ sehen, wenn jemand keine tierischen Produkte (mehr) essen und trinken will. Von vielen Menschen wird dieser Schritt aber äußerst positiv empfunden, und eher als eine Form der Selbstbefreiung…
von sozialen Normen, alten Gewohnheiten und den Meinungen anderer zum Beispiel.
„Culture is not your friend.“
– Terence McKenna
Für manche überwiegt der Genuss, für andere überwigt das Wissen darüber, woher tierische Produkte kommen. (Und es müssen keine Undercover-Aufnahmen aus den schrecklichsten Situationen sein, die einem zum Vegan-werden animieren. Es kann auch ein Sachbuch über Klauenpflege sein, das an Milchbauern gerichtet ist und in dem die Idee des „Tierschutzes“ nur der Profitmaximierung dient.) Dieses Wissen lässt sich nicht aus dem Gedächtnis streichen, daher streichen viele Menschen lieber tierische Produkte aus ihrer Ernährung. Das ist ein ganz persönlicher (Selbst-)Befreiungsschlag. Die (Selbst-)Bereicherung tritt dann ein, wenn man mit pflanzlichen Nahrungsmitteln experimentiert, die Kochkünste verfeinert und seine eigenen neuen Lieblingsgerichte entdeckt. Der Umstieg auf vegan wird nur dann als Verzicht empfunden, wenn man kein Interesse an all den neuen Möglichkeiten hat, die tierische Produkte nicht nur ersetzen, sondern übertreffen.
Warum übertreffen pflanzliche Produkte die tierischen?
Dafür gibt es viele subjektive Gründe. Hier ein paar möglichst objektive, die trotz allem (wie alles, abgesehen von mathematischen Gleichungen) subjektiv gefärbt sind:
✿ Pflanzen sind vielfältiger. Es gibt Haselnussmilch, Sojamilch, Mandelmilch, Reismilch, Hafermilch …
Auf der tierischen Seite gibt es Kuh-, Ziegen und Schafsmilch. Menschen konsumieren vor allem Kuhmilch; tagein, tagaus. Für tierische Milch und Eier gibt es viele pflanzliche Alternativen.
✿ Die Vielfalt von Gemüse und Obst, der großen Basis jeder gesunden veganen Ernährung, ist sehr viel farbenfroher als tierische Produkte. Vegane Ernährung kann Farbtherapie sein. (Das klingt subjektiv und ist es vielleicht auch. Probieren Sie es aus.)
✿ Nirgends sind so viele Mineralien und Vitamine enthalten wie in frischem Gemüse und Obst bei einem gleichzeitig geringen Kaloriengehalt.
✿ Das Essen von Pflanzen ist mit weniger Leid verbunden als das Essen von Tieren. *
* Wir können zwar nur hoffen, dass Pflanzen nicht so leiden wie (wir) Tiere. Aber Tiere essen eine Menge Pflanzen, bevor sie getötet werden.
Verschwendung oder Wertschätzung?
Die Verschwendung von Getreide (Mais, Gerste, Hafer, Weizen) und Soja an die Tieragrarindustrie ist bekannt. Auch, wenn die Zahlen bezüglich dieser Verschwendung je nach Quelle variieren, so ist klar, dass man Milliarden von Menschen mit diesem Getreide ernähren könnte.
Der Zwischenschritt des Leidens und Sterbens der Tiere könnte einfach ausgelassen werden und der menschliche Pflanzenverbrauch wäre, selbst, falls er nicht geringer ausfallen würde, zumindest ökologisch sinnvoller.
Überwindung von inneren Konflikten
Eine pflanzliche Ernährung liefert Vorteile für alle Beteiligten. Ein Nachteil kann vor allem empfunden werden, wenn man Aspekte der Umstellung als Verzicht empfindet.
Wenn einzelne Nahrungsmittel, die tierische Bestandteile enthalten, schmerzlich vermisst werden, kann das an blanker und sehr unspektakulärer Gewohnheit und/oder emotionaler Abhängigkeit und/oder einem Nährstoffmangel liegen.
Die Gewohnheit lässt sich innerhalb von ein paar Wochen überwinden.
Der Nährstoffmangel lässt sich nur durch abwechslungsreiche, nährstoffreiche Ernährung überwinden, was vor allem mit einem hohen Rohkostanteil leicht fällt, denn Pflanzen haben eine sehr hohe Nährstoffdichte.
Emotionaler Abhängigkeit kann man durch das ganzheitliche (und sehr zeitintensive) Hinterfragen unserer gesamten, globalen, menschlichen Zivilisation entgegensteuern. Manchmal reicht auch nur ein neues Hobby oder eine neues, veganes Lieblingsgericht.
Wenn etwas trotz allem als Verzicht empfunden wird, dann kann man es sich
A) entweder gönnen
oder
B) die negativen Gefühle durcharbeiten, indem man Gewohnheit, emotionalen Hunger und Nährstoffmangel überwindet bzw. stillt.
Beide Lösungsstrategien sind kein Grund, auf diejenigen zu schimpfen, für die eine vegane Lebensweise keinen Verzicht, sondern (Selbst-)Befreiung bedeutet.
Beide Lösungsstrategien machen die vegane Lebensweise nicht zu einer unterlegenen.
Das Stillen unserer komplexen Bedürfnisse lässt sich selten darauf reduzieren, was man isst.
Viele Menschen sind auch aus gesundheitlichen Gründen vegan. Viele Menschen sind begeistert über ihre physischen Resultate nach der Umstellung auf eine vegane Ernährung.
Aber: Was wirklich physisch gesund macht und hält, darüber gibt es unzählige Theorien und sicherlich nicht nur eine einzig wahre.
Das Zusammenspiel von physischen und nicht-physischen Faktoren ist derart komplex, dass jede Theorie über gesunde Ernährung früher oder später an ihre Grenzen stößt oder durch irgendeinen Einzelfall relativiert wird.
Was mit großer Wahrscheinlichkeit krank macht sind negative Gefühle, die nicht bewältigt / überwunden / verdaut werden.
Ein Überschuss an Stresshormonen macht krank. Distress muss durch mentale und/oder körperliche Aktivität abgebaut werden.
Die Folgen von nicht bewältigtem Distress können sein: Nervosität, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, erhöhter Blutdruck, Asthma, Arteriosklerose, chronisch werdender Stress, Depression.
Gehen Sie die vegane Lebensweise spielerisch und neugierig an. Ohne Stress. Zwanglos und unvoreingenommen. Mehr pflanzliche Nahrungsmittel, weniger tierische. Jeder Zwang und jedes Muss ist imaginär.
Wir leben in einer nicht-veganen Welt. Zurückzukehren in die „Normalität“ ist jederzeit möglich.
Stagnation oder Evolution?
Falls wir annehmen, dass sowohl körperliche als auch geistige und psychische Gesundheit vor allem aus einer gesunden Einstellung zum Leben resultiert,
kann dann eine Lebensweise, die die Ausbeutung anderer, komplexer Lebewesen gleichgültig toleriert oder sogar befürwortet und sie in die Kategorien „lebenswert“ oder „Mahlzeit“ aufteilt, gesund sein?
Kann es nicht sein, dass der gravierende Verzicht im Verzicht auf Mitgefühl besteht?
Ist eine Lebensweise, die bewusst so wenig destruktiv wie möglich ist, nicht bereichernder als eine unbewusste?
Nur Sie können das für sich entscheiden.
Ich bin offensichtlich für die vegane Ernährung voreingenommen, denn ich bin seit ein paar Jahren vegan und kenne die Empfindung von „Verzicht“ daher gar nicht mehr.
Kann ich sie noch nachvollziehen?
Ja. Aber nur, wenn ich das Gefühl der Befreiung ausklammere.
Ist Selbstbefreiung egoistisch?
Absolut!
Aber ein Egoismus, der auf Mitgefühl basiert, fühlt sich eher nach Verbundenheit an als ein Egoismus, der auf blanker Gewohnheit basiert.
Probieren Sie es aus.
Die Gewohnheit wartet da, wo Sie sie abstellen.
Vielleicht stellen auch Sie erleichtert fest, dass Sie sie eigentlich nicht brauchen.
„Die kürzesten Wörter, nämlich ja und nein,
erfordern das meiste Nachdenken.“
– Pythagoras