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Hunde und Kohlenhydrate

“Hunde und Kohlenhydrate – das geht doch nicht.”

Neulich beim Spaziergang erzählte mir eine sehr nette Frau, die ihren Hund mit konventionellem Futter ernährt, sie habe gehört, Hunde könnten keine Kohlenhydrate verdauen. Daher gäbe sie ihrem Hund keine Leckerli, die aus Getreide bestehen.

Gegenüber meinem im Spiel mit anderen Hunden sehr fitten und gesund aussehenden Hund war sie allerdings sehr positiv eingestellt und fragte sich, wie das überhaupt möglich sei: dass man Hunde dazu kriegt, Kohlenhydrate zu verdauen.

So weit hat es die Werbung von “echtem Fleisch” als Stück Lebenskraft also gebracht. Manche Menschen sind einseitig informiert und scheinen zu denken: 

“Pflanzen = Kohlenhydrate, 
Fleisch = Protein (und Fett), 
(Möglichst viel) Protein = Gut.”

So simpel ist das aber nicht.

Manche Gegner der veganen Hundeernährung behaupten, dass vegane Hundeernährung notwendigerweise kohlenhydratreich und proteinarm sein müsste und daher immer ungesund sei. Diejenigen, die Kenntnisse über Hundeanatomie haben, wissen, dass Hunde keine Amylase im Speichel produzieren (wie das zum Beispiel Menschen tun) und schließen daraus, dass Hunde keine Kohlenhydrate verdauen können.

  1. Vegane Hundeernährung kann auch kohlenhydratarm und proteinreich gestaltet werden. Sofern man den Hund nicht mitgenmanipuliertem(!) Soja vollpumpt (und nicht jedes Soja ist genmanipuliert), kann das genauso gesund bzw. ungesund sein wie eine Ernährung mit tierischem Protein. Den Verdauungsenzymen ist es nämlich egal, woher die Aminosäuren kommen.
  2. Hunde können sehr wohl Kohlenhydrate verdauen.

Hunde produzieren Amylase in der Bauchspeicheldrüse; die Kohlenhydratverdauung findet im Dünndarm des Hundes statt und beginnt nicht, wie beim Menschen, bereits im Mund – das ist der wesentliche Unterschied.

Siehe: O’Heare, Vegan Dogs – Compassionate Nutrition, 2009-2011

Die Bauchspeicheldrüse sondert große Mengen bicarbonatsaurer Salze ab, was pH-sauren Nahrungsbrei neutralisiert und den notwendigen pH-Wert für Enzyme aus der Bauspeicheldrüse und dem Darm liefert. Dies beinhaltet Proteasen, um die Proteinverdauung fortzusetzen, Maltase, Laktase und Invertase für die Endverdauung der Kohlenhydrate und Lipase für die Fettverdauung. Sie gelangen in den Dünndarm über den Pankreasgang.

Langkettige Kohlenhydrate (Pflanzenstärke) sind natürlich die gesündesten. Die meisten Hunde haben auch mit Fruktose kein Problem, sofern sie Früchte mögen (Die meisten Hunde bevorzugen Gemüse gegenüber Früchten.)

Glukose ist denkbar ungesund. Einzig Cellulose kann von Hunden nicht verdaut werden. Kohlenhydrate an sich sind aber kein Problem. Hunde haben keinen zu kurzen Darm für die Kohlenhydratverdauung. Das liegt vor allem daran, dass Kohlenhydrate simple Molekülstrukturen aufweisen und sehr leicht aufspaltbar bzw. verdaulich sind.

Die Angst mancher Leute ist, dass unverdaute Kohlenhydrate ungesund für den Darm sind. Unverdaute Proteine sind allerdings genauso ungesund und woraus will man schließen, dass konventionelles Futter vollständig verdaut wird, veganes aber eventuell nicht? Und kommt dann nicht wieder der “kurze” Hundedarm ins Spiel? Hunde und Katzen können unverdaute Nahrungsbestandteile sehr schnell loswerden; darin besitzen sie einen Vorteil gegenüber uns Menschen. Hierbei können unverdauliche Ballaststoffe wiederum nützlich sein.

Zu viel Protein ist ungesund

Ganz klar: zu viele Kohlenhydrate machen fett.

Aber zu viel Protein, egal, ob aus tierlichen bzw. tierischen oder pflanzlichen Quellen, ist auch für Hunde ungesund.

Hunde, die zum Beispiel über lange Zeit mit in der Regel proteinreicherem Katzenfutter ernährt werden (Katzen haben einen höheren Proteinbedarf als Hunde), entwickeln sehr häufig Nierenprobleme und Leberverfettung. Auch nicht jedes vegane Hundefutter ist empfehlenswert. Es gibt eine bestimmte vegane Hundefuttermarke, die ich nicht mehr empfehle und von der ich in privaten Gesprächen sogar abrate, da sie offensichtlich zu viel Eiweiß enthält und aufgrund dessen bei vielen Hunden zu (für den Hund) sehr belastenden Unverträglichkeitssymptomen führt. Vegane Hundefutter, die den hohen Eiweißgehalt konventioneller Futter nachahmen wollen, sind genauso ungesund wie ihre tierleichenhaltigen Vorbilder.

Menschen, Hunde und Kohlenhydrate

Des weiteren wird gegen Kohlenhydrate argumentiert, dass Hunde keinen “essentiellen Bedarf” an Kohlenhydraten hätten. Diese Behauptung ist irreführend, da nicht einmal Menschen einen “essentiellen Bedarf” an Kohlenhydraten haben.

Viele Menschen nehmen in der Tat zu wenig Kohlenhydrate und zu viel Eiweiß zu sich – und leben trotzdem. Diese proteinreiche Ernährungsweise übertragen wir auf unsere Haustiere. In beiden Fällen wird proteinreiche Ernährung durch die Angst vor Proteinmangel gerechtfertigt. Proteinmangel liegt aber in den seltensten Fällen (um nicht zu sagen: nie) vor.

Kohlenhydrate erweisen sich in der Hundeernährung als gesundheits- und vitalitätsfördernd. Warum ?

Hunde haben, genau wie alle anderen Lebewesen, einen bestimmten kalorischen Energiebedarf für alle passiven und aktiven Körperfunktionen. Sie können diesen Bedarf zwar durch Proteine decken, aber Protein wird vom Körper für andere wichtige Zwecke wie dem Aufbau körperlicher Strukturen benötigt. Fette kommen ebenfalls als Energielieferanten in Frage, Kohlenhydrate können aber direkter genutzt werden. Kohlenhydrate werden zu Glykogen umgewandelt, was von der Leber für schnell verfügbare Energie verwendet wird – sowohl für Muskelarbeit als auch für Gehirnaktivtät.

Kohlenhydrate sind außerdem, wie oben angedeutet, “proteinschonend”, was bedeutet, dass sie Protein vor der Deckung des Energiebedarfs bewahren, sodass es für seine wichtige Rolle – das sind Aufbau und Erhaltung von Körpergeweben – genutzt werden kann. Den Energiebedarf durch Kohlenhydrate zu decken schont das Protein und erlaubt diesem, seine wichtigeren Aufgaben zu erfüllenund mindert außerdem die Belastung der Nieren.

Kohlenhydrate können auch von Hunden als direkte Energiequelle genutzt werden.

Dadurch kann eine (vegane) Hundeernährung, die nicht nur Protein und Fett, sondern auch Kohlenhydrate als wichtigen Bestandteil enthält, optimal für die Gesundheit und Vitalität des Hundes sein.

Vegane Hunde und Kohlenhydrate

Es ist auch wichtig anzumerken, dass vegane Hundeernährung nicht zwangsläufig reich an Kohlenhydraten sein muss. Sie können ebenfalls eine vegane Kost zusammenstellen, die reich an Protein (und Fett) ist. Diese wird dem Hund aber weniger Vitalität verleihen als eine, die auch Kohlenhydrate als Energiequelle enthält – aufgrund besagter Entlastung des Eiweißhaushaltes, der Eiweißverdauung und der Nieren.

Fazit: Fitte, vegane Hunde und Kohlenhydrate = kein Wunder.

Vegane Hundeernährung Übersicht

 

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