Es folgt ein Interview mit Andreas Grabolle, dem Autoren des grandiosen Buches „Kein Fleisch macht glücklich“, einem Buch, dass veganes Leben in den Mainstream bringt und vor allem für nicht-spirituelle Menschen geeignet ist, die harte Fakten wollen.
Andreas Grabolle schafft den Spagat zwischen objektiver Betrachtung eines sowohl für Veganer als auch Fleischliebhaber sehr emotionalen Themas und den eigenen subjektiven Überlegungen auf seiner Odyssee durch den Wald der
Für-und-Wider-Argumente.
Fragenstellerin war Diana Heit, Publisherin der Website
Vegane-Beratung.com.
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„Wer etwas anders haben will,
muss selbst anfangen.“– Andreas Grabolle
Du bist vor allem Biologe, Klimaexperte und Wissenschaftsjournalist. Das alles kam ja vor dem Vegansein. Wann trat die Frage „Fleisch oder nicht Fleisch“ in dein Leben?
Andreas Grabolle: Die kam etwa 1995 mit der Lektüre von Peter Singers Buch „Praktische Ethik“. Als Biologiestudent fand ich Singers biologische Kriterien sehr überzeugend, auf welche Wesen wir moralisch Rücksicht nehmen sollten. Damals habe ich angefangen, mit dem Fleischessen aufzuhören. 2009 wurde mit der Entscheidung, was meine Tochter essen soll, die Frage dann wieder ganz aktuell für mich.
Wie denkst du über Aussagen wie „Es gibt keinen Klimawandel, das Klima ändert sich auch ohne Menschen“ und „Der Planet muss nicht gerettet werden; er schüttelt uns irgendwann einfach ab wie lästiges Ungeziefer, also gibt es keinen Grund sein individuelles Konsumverhalten zu ändern“?
Andreas Grabolle: In vielen Fällen stehen in erster Linie Bequemlichkeit und andere egoistische Motive dahinter. Bisweilen ist es auch ein Widerwillen gegen scheinbare politische oder gesellschaftliche Bevormundung und der Faszination, eine Meinung zu vertreten, die gegen den offiziellen Konsens geht. Dabei ist dieser heutige Konsens von einstmals wenigen Warnern sehr hart erkämpft worden. Meist sind diese Leute nicht gut oder aus sehr dubiosen Quellen informiert und ziemlich immun gegen Argumente. Die fatalistische Haltung, dass die Erde gut allein zurecht kommt, ist so banal wie zynisch gegenüber den Menschen und Tieren, deren Lebensgrundlagen beeinträchtigt oder zerstört werden.
Hast du vor den Recherchen für dein Buch anders gedacht?
Andreas Grabolle: Nicht was den Klimawandel und das Konsumverhalten einschließlich Fleischverzehr angeht. Ich habe viele Jahre für den Klimaschutz gearbeitet und mich auch sehr intensiv mit den Motiven und Argumenten der sogenannten Klimaskeptiker befasst. Aber was die Argumente für eine vegane Ernährung angeht, war ich vor meiner Recherche erschreckend uninformiert.
Können wir Menschen als Einzelpersonen uns verantwortlich für Klima und Umwelt fühlen oder ist das eine Art von negativem, übermäßig selbstkritischem Größenwahn, da wir alle ohnehin einem uns übergeordneten System wirtschaftlicher Interessen unterliegen?
Andreas Grabolle: Ich empfinde schon, dass die Verantwortung bei jedem einzelnen liegt, auch wenn die Wirkung des eigenen Handelns meist überschaubar bleibt. Daher ist es wichtig, dass es Menschen gibt, die versuchen über ihr eigenes Handeln hinaus, Einfluss zu nehmen und sei es, dass sie über ihr soziales Umfeld online wie offline andere anregen. Da kann es dann schon Schneeballeffekte geben, die größere Systeme stark verändern. Letztlich sind wir ja auch ein Teil der übergeordneten Systeme.
Wie können Politiker und Konzerne Einfluss auf CO2– und Methan-Ausstoß nehmen? Warum tun sie so wenig? Was muss geschehen?
Andreas Grabolle: Auch bei den Politikern und Konzernen kann man nur hoffen, dass jeder Einzelne seine Verantwortung ernsthaft reflektiert und wahrnimmt. Da sitzen aber wie überall Menschen mit ihren eigenen egoistischen Motiven, ihren vermeintlichen Zwängen und dem fehlenden Mut, große Schritte zu fordern oder zu gehen. Selbst bei denen, die guten Willens sind, dürfte die Sorge groß sein, ganz schnell weg vom Fenster zu sein, wenn sie zu viel verlangen. Die unmittelbare Verantwortung für das Unternehmen, die Partei oder die Aktionäre wiegen für die Entscheider vermutlich weitaus mehr als die Verantwortung für diejenigen, die andernorts oder erst künftig unter den Entscheidungen leiden werden. Die Verantwortung nur in der großen Politik und bei den Konzernen zu sehen, ist sicher nicht zielführend. Wer etwas anders haben will, muss selbst anfangen.
Zu Beginn des Buches wird deutlich, dass „kein Fleisch“ für dich früher Verzicht bedeutet hat. Wie ist das heute, nachdem du all diese Recherchen angestellt hast?
Andreas Grabolle: Ich mag nicht die Verteufelung von Verzicht. Ich verzichte noch immer auf vieles, aber aus guten Gründen und ich ziehe offenbar viel mehr Gewinn aus diesem Verzicht. Alles haben geht eben nicht. Ich wollte mir eine verantwortungsvolle Meinung bilden und jetzt bedeutet für mich, hierzulande ein saftiges Steak vom Tier zu essen, sich aus niederen Beweggründen an einem grausamen und ungerechten System zu beteiligen. Also musste ich mir gute Kompromisse suchen, mit denen ich glücklicherweise sehr gut leben kann. Viele Vorteile des Verzichts sieht man zudem am Anfang gar nicht.
Wie ging es dir beim Besuch von Mastanlagen? Was ging dir durch den Kopf?
Andreas Grabolle: Das war ein großes, wenngleich schreckliches Privileg. Für mich war es beschämend, den Tieren als Mensch zu begegnen. Als einer derjenigen, die ihnen so ein grausiges Leben nur aus wirtschaftlichen Gründen zumuten. Zwar finde ich nicht, dass jeder Mensch die Tiere, die er isst, selbst schlachten sollte. Aber er sollte genau wissen, wie sie gelebt haben und gestorben sind und versuchen zu begreifen, dass diese Tiere bewusst empfindende soziale Wesen mit Bedürfnissen sind, die weit über Futter und Wasser hinausgehen.
Was würdest du Menschen empfehlen, die sagen, vegetarisch-vegan sei ihnen zu viel Arbeit, zu speziell, zu viel Aufwand bzw. sie würden Fleisch und andere Tierprodukte vermissen?
Andreas Grabolle: Wer sich so rechtfertigt, kann ja offenbar die Grundidee dahinter nachvollziehen. Diese Menschen sollten vielleicht darüber nachdenken, welche Werte ihnen wirklich wichtig sind und was sie von sich erwarten. Wenn es ihnen viel bedeutet, fair und nachhaltig zu sein, kommen sie nicht daran vorbei, sich mit ihrer Ernährung auseinanderzusetzen. Es stellt sich dann die Frage, wie weit sie nach ihren Werten leben wollen? Wer gedanklich schon mal soweit gekommen ist, kann ja einfach langsam ausprobieren, was er leicht ändern kann. Zu viel Konsequenz von sich zu fordern, dient meist der Abwehr von Veränderungen. Ich empfehle, lieber kleine Schritte in die richtige Richtung zu gehen, als sich gar nicht zu bewegen.