Leben

Der Umgang mit Allesessern

Der Umgang mit Allesessern gestaltet sich nicht immer einfach für “uns Veganer”. Vor allem in der Weihnachtszeit und generell bei sozialen Anlässen stehen viele Veganer vor dem Problem, dass sie von ihren Angehörigen mit Kommentaren gepisackt werden oder aber “wir Veganer” selbst in Versuchung geraten, andere für ihre Entscheidungen zu kritisieren.

Hier ein paar generelle Tipps und Überlegungen.

 


1. Kein Mensch mag Besserwisser

 

Ja, Tierprodukte sind weder ethisch noch ökologisch betrachtet noch rein aus Gründen des Mitgefühls mit anderen Wesen ernsthaft zu rechtfertigen. 

Sie, vegan, können noch so sehr im Recht sein; es wird immer Menschen geben, die an Ihrer bloßen Entscheidung, es anders zu machen, bereits Anstoß nehmen und sich verurteilt fühlen – 
selbst, wenn Sie den Mund halten.

Wenn Sie im Umgang mit Allesessern aber sogar Öl ins Feuer gießen indem Sie Weisheiten von sich geben ohne gefragt zu werden, müssen Sie mit einem Gegen-“Angriff” rechnen. 

Ihr Omni-Gegenüber mag ihnen sogar bewusst zustimmen, unbewusst aber überwiegt das Bedürfnis, den eigenen Lebensstil und damit die Idee vom eigenen Selbst zu verteidigen. Die Argumente werden also nicht unbedingt logisch ausfallen, sondern können ziemlich schmerzhaft (dumm) werden. 

Lassen Sie sich nicht darauf ein und fangen Sie keine Diskussionen an. Ihre bloße Anwesenheit und das Wissen unsicherer Allesesser über Ihre “Andersartigkeit” ist manchmal schon ausreichend provokativ.

Sie sind der Außerirdische am Esstisch. 

Wir Menschen sind ängstliche Tiere, die im Zweifelsfall zum Angriff übergehen. Also machen Sie keine ruckartigen Bewegungen, lassen Sie die Laserkanone stecken und beweisen Sie, wie harmlos man auf unserem fernen, fernen, veganen Stern tatsächlich ist.


2. Denken Sie beim Umgang mit Allesessern an Ihren 
eigenen Werdegang zurück

 

Es gab eine Zeit, da kamen mir Krabbenchips und gelatinehaltige Süßigkeiten sehr vegetarisch vor. Das Bewusstsein über das, was ich da esse, hat sich über den Zeitraum von mehreren Jahren geformt.

Aus eigenem Interesse habe ich mich immer mehr damit beschäftigt, wie Menschen mit Tieren, vor allem den sogenannten “Nutztieren” umgehen. Ich habe mir viele Gedanken über das menschliche Ideal der “Freiheit” gemacht. Ich habe mir spirituelle und ernährungstechnische Fragen gestellt. Ich habe meinen eigenen Egoismus hinterfragt. 

Wäre mir vor oder während dieser Zeit ein intoleranter Veganer begegnet, weiß ich nicht, ob ich vegan geworden wäre. Mittlerweile sind mir nämlich schon einige Veganer begegnet, die ich auf rein-menschlicher Ebene nicht leiden kann – und das beruht vielleicht auf Gegenseitigkeit. Das einzige, das wir gemeinsam haben, ist, das wir Pflanzen essen. Das habe ich allerdings auch mit Vegetariern und Omnis gemein. Auch, wenn diese diesen gemeinsamen Nenner manchmal nicht sehen, und sich eher auf meinen “Verzicht” fokussieren.

Zu Beginn meiner Entwicklung zum “Vegansein” hin habe ich allerdings ausschließlich gelassene Veganer getroffen, die mich nur über die Einzelheiten ihres Lebensstils informiert haben, nachdem ich sie gefragt hatte. 

Auf diese Weise, motiviert durch mein eigenes Interesse, konnte mir, Diplom-Dickschädel mit Trotzgarantie, alles sofort einleuchten. Sofern ich mich zurückerinnere, hat mich kein Veganer mit Argumenten genervt, sondern einfach nur meine (naiven) Fragen à la “Was tust du in den Kaffee? Schmeckt das denn?” mit einem einfachen “Ja” beantwortet.

Aus heutiger Sicht betrachtet kommen mir meine damaligen Fragen äußerst nervig, bestenfalls naiv-putzig vor. 
Damals aber hat meine vegane Freundin nur freundlich gelächelt und alles kurz und knapp beantwortet – ohne ins Detail zu gehen.

Und sie brauchte nicht ins Detail zu gehen, da ich selbst mich schon für die Sache interessierte.

Ich glaube, dass mich ihre desinteressierte Freundlichkeit stark beeinflusst hat.

Das heißt nicht, dass Veganer immer nett sein sollen, im Gegenteil. Es bringt nichts, die andere Wange hinzuhalten, wenn man grundlos und gehässig angegriffen oder diskriminiert wird. Man muss anderen Menschen – aus reiner Selbstliebe – manchmal Grenzen setzen.

Missionarisch sollten wir aber auch nicht sein, vor allem nicht bei trotzigen, ängstlichen Menschen, die sich gerne verteidigen oder sogar in die Offensive gehen. (Und ich denke, die meisten Menschen sind mehr oder weniger so. Wer ist schon erleuchtet.) 
In den meisten Fällen kann “Überzeugungsarbeit” nur Schaden anrichten.

Warten Sie auf das freundliche, manchmal erschreckend naive Interesse omnivorer Mitmenschen. Verschaffen Sie diesen in diesem Rahmen gute Erlebnisse mit “uns Veganern”. So dienen wir den Tieren am besten.

Ich mache im Umgang mit Allesessern sicherlich nicht alles richtig, versuche aber, mir Tiere zum Vorbild zu nehmen: Kein Tier ist auf mich zugerannt gekommen und hat mich angeschrien, ich solle mich anders ernähren. Alle, mit der Ausnahme irrer Wachhunde, waren einfach immer neutral-freundlich zu mir.

3. Seien Sie kein irrer Wachhund
 

Alles ist Konditionierung und Gewohnheit.

Gewöhnen wir “den anderen” nicht den Veganismus ab, bevor sie es überhaupt ausprobieren konnten. 
Jeder Wandel muss von innen kommen. Anderen die eigene Perspektive aufzuzwingen, selbst, wenn sie dazu dient, Dritte zu retten oder zu beschützen, ist kein Ausdruck von Freiheit und Mitgefühl. 

Es gibt aber einen Weg, jedem Wesen den eigenen Willen zu lassen, es so zu respektieren, wie es ist und gleichzeitig immer mehr Menschen von der veganen Lebensweise zu überzeugen.

Paradoxerweise gehört dazu die Einsicht, dass manche Menschen nicht vegan werden wollen. Dies müssen wir im Umgang mit Allesessern respektieren, ansonsten richten wir mehr Schaden an als CO²- und methanarme Ernährung gutmachen kann.

Wir können nur durch Respekt, Toleranz und Gelassenheit überzeugen. Und leckere Kuchen natürlich.

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