Ramona Herrmann im exklusiven Interview mit Vegane-Inspiration.com
Über den Wechsel von Mischkost zu vegan, einen ganz besonderen Dobermann und gegenseitigen Respekt zwischen Veganern und Nicht-Veganern.
Diana Heit: Ramona, Du bist vom Omni (Allesesser, Mischköstler) direkt zur Veganerin geworden – ohne ovo-lakto-vegetarische Episode dazwischen. Wann war das und wie kam das? Wie lange hat der Wechsel bei Dir gedauert, vom ersten Gedanken bis zum Zeitpunkt, an dem Du Dich als vegan betrachtet hast?
Ramona Herrmann: Das war im Sommer 2010 als ich ein Video über Tierquälerei gesehen habe.
Dieser Anblick hat mich so fertig gemacht, dass ich von dem Moment an keine tierlichen Produkte mehr konsumieren mochte.
Genau genommen hat der Wechsel einen Bruchteil einer Sekunde gedauert, denn die Entscheidung kam zusammen mit dem Schmerz, den ich empfunden habe. Mit dem Begriff “vegan” hab ich mich erst gar nicht befasst. Das kam, als ich näher informiert war.
Diana Heit: Auf welche Schwierigkeiten bist Du dabei anfangs gestoßen, ernährungstechnisch und sozial ? Wie hat Dein direktes soziales Umfeld auf deinen Wandel reagiert ?
Ramona Herrmann: Da ich mit Kochen nie viel am Hut hatte, musste ich erst mal schauen, was wo überhaupt drin ist.
Man ist an so vieles gewöhnt, dass man das Essen praktisch neu erlernen muss.
Wenn man im Laden nachfragt, wird man schon oft komisch angeschaut.
Auch mein privates Umfeld hat sich anfangs etwas schwer getan, manche hielten es auch für eine Phase. Die meisten können es aber nachvollziehen und finden es auch toll und haben Respekt davor, da ich meine Überzeugungen scheinbar gut rüberbringen kann.
Diana Heit: Haben sich Leute vor den Kopf gestoßen gefühlt, hast Du Freunde verloren, gab es Streitgespräche mit anderen Omnis – wenn ja, wie ging es Dir dabei ?
Ramona Herrmann: Es gibt immer wieder Leute, die sich persönlich auf den Schlips getreten fühlen.
Durch mein Verhalten bekommen manche ein schlechtes Gewissen, weil sie sich das für sich selbst nicht zutrauen.
Richtige Freunde verliert man durch sowas nicht, denn dann sind es keine!
Die mir wichtigen Menschen kommen alle sehr gut mit meiner neuen Lebensweise zurecht und haben sich teilweise auch selbst etwas umgestellt.
Streitgespräche mit Omnis sind für mich kein Problem, da ich sowieso die besseren Argumente habe. Es gibt leider auch die total ignoranten, manche werden auch beleidigend. Aber ehrlich gesagt, muss man mit denen nur Mitleid haben, weil das entweder von Blödheit oder Komplexen zeugt!
Diana Heit: Gab es Probleme in Deinem Beruf oder mit Kollegen ?
Ramona Herrmann: Nein, denn ich mache schon immer alles nach meinem eigenen Kopf 😉
Ich bin seit vielen Jahren selbständig und mache nur Jobs, bei denen man sich gegenseitig akzeptiert und respektiert.
Diana Heit: Gibt es heute noch Probleme mit Mitmenschen ? Schnippische Bemerkungen ?
Ramona Herrmann: Probleme würde ich das nicht nennen, aber Sprüche gibt’s immer wieder mal.
Je nachdem kann ich Kommentaren mit Humor begegnen, ansonsten verschwende ich nicht meine Zeit mit Menschen unter meinem Niveau!
Diana Heit: Streiten – hat das einen Sinn ? Wie sollen Veganer reagieren, wenn sie von Omnis blöd angemacht werden ?
Ramona Herrmann: Streiten hat keinen Sinn, denn so verschließt sich der Omni wohl eher. Eigentlich sollte ein mitfühlender, rücksichtsvoller Mensch sich nicht für sein Verhalten rechtfertigen müssen, das sollte man sich verinnerlichen.
Allerdings muss man auch berücksichtigen, dass die meisten Menschen omnivor aufgewachsen sind und das für sie einfach “normal” ist. Ich versuche meinen Gesprächspartnern meine Gefühle zu vermitteln, damit sie Verständnis aufbringen können.
Zum Beispiel: “Es tut mir weh zu wissen, wie mit Tieren umgegangen wird. Das möchte ich nicht unterstützen, deswegen lebe ich vegan”.
Diana Heit: Was würdest Du Allesessern/Mischköstlern/Omnis raten, die mit dem Gedanken spielen, vegan zu werden, denen dieser Schritt aber zu extrem erscheint oder die Angst vor der Reaktion ihres sozialen Umfelds haben ?
Ramona Herrmann: Jeder hat andere Vorlieben, deswegen würde ich das nicht pauschal beantworten. Für vieles gibt es bereits leckere Alternativen, da kann man sich erst mal durchprobieren.
Am wichtigsten ist das Wissen über Nährstoffe und die Wahrheit über tierliche Lebensmittel, die meist gar nicht so gesund sind wie wir glauben. Es gibt inzwischen sehr viele Seiten im Internet, über die man sich sehr umfangreich informieren kann.
Wenn man in seinem Umfeld niemanden hat, der einem bei der Umstellung helfen kann, findet man auch online Rat und interessante Kontakte.
Diana Heit: Warum ist Dir vegane Ernährung wichtig ? Wie denkst Du heute über Deine omnivore Zeit ?
Ramona Herrmann: Schon alleine wegen der Tiere, inzwischen kenne ich aber auch die Auswirkungen der Ernährung auf andere Bereiche wie Gesundheit, Umweltbelastung und Welthunger. Ich schäme mich, dass ich so lange die Augen vor den Tatsachen verschlossen hab. Wie ganz viele andere habe auch ich das Märchen vom Tierschutzgesetz geglaubt und nie über den Tellerrand geschaut.
Diana Heit: Was vermisst Du heute, als Veganerin ?
Ramona Herrmann: Nix! Im Gegenteil, ich hab so viel dadurch gewonnen. Ich habe ein paar überflüssige Kilos abgespeckt, weniger Schmerzen (leide schon immer an Migräne), bin weniger müde und fühle mich einfach wohler in meiner Haut.
Diana Heit: Was ist Deiner Meinung nach die beste Strategie, andere Menschen zum tierfreien Konsum zu inspirieren ?
Ramona Herrmann: Zuerst die Angst nehmen! Verzicht, vor allem beim Essen, ist für die allermeisten Menschen eine sehr unangenehme Vorstellung. Ich mache den Leuten klar, dass ich nicht “verzichte”, sondern “bewusster” lebe.
Diana Heit: Was sagst Du zu Leuten, die sagen: “Veganer können vegan sein, aber mich bitte in Ruhe lassen; ich will essen was ich will, denn irgendwann sterben wir sowieso alle” ?
Ramona Herrmann: Solche Aussagen finde ich egoistisch und dumm. Essen ist keine Privatsache, denn dadurch wird so viel Leid und Schaden auf der ganzen Welt angerichtet.
Wir Menschen können größtenteils selbst für uns entscheiden und sorgen, aber Tiere sind uns ausgeliefert!
Diana Heit: Was ist Deiner Meinung nach das Hauptproblem von Omnis, die sich angegriffen fühlen, sobald jemand aus der Reihe tanzt und vegan wird und wie erklärst Du Dir die Diskriminierung von Veganern und Antiveganismus im Sinne von: “Veganer sind selbstverliebte Faschisten” ?
Ramona Herrmann: Scham und Angst. Durch die Lebensweise eines Veganers werden dem Omni seine eigenen Schwächen bewusst. Scham ist ein sehr unangenehmes Gefühl, deswegen rechtfertigt sich der Omni mit solchen Aussagen.
Im Grunde würden viele gerne ein rücksichtsvolleres Leben führen, haben aber Angst vor Verzicht oder zu versagen. Um sich damit nicht quälen zu müssen, wird einfach alles schlecht gemacht.
Diana Heit: Wie können Veganer Omnis inspirieren, ohne dass diese abwehren, sich verteidigen und feindselig werden ? Können Veganer etwas tun, damit sich Omnis nicht schuldig und angegriffen fühlen ohne dabei ihr eigenes Mitgefühl für Tiere und Umwelt zu verraten ?
Ramona Herrmann: Dazu braucht es etwas Fingerspitzengefühl und man muss sich in sein Gegenüber (oder sich selbst vor der Umstellung) hinein versetzen.
Zum Beispiel: “Ich hab früher auch omnivor gelebt und hatte keine Ahnung, was Tieren alles angetan wird. Als ich das erfahren hab, wollte ich nicht mehr selbst dafür mitverantwortlich sein. Ich hab schon nach recht kurzer Zeit festgestellt, dass eine vegane Lebensweise gar nicht so schwierig ist und nicht mit Verzicht verbunden ist.”
Diana Heit: Du hast einen wunderschönen Dobermann. Möchtest Du den Lesern ein bisschen was über ihn erzählen ?
Ramona Herrmann: Bulweih wurde von einem Deutschen bei einem Züchter in Ungarn gekauft, deswegen ist er auch kupiert. Schon nach wenigen Wochen konnte er ihn nicht mehr behalten. Seitdem sind wir fast rund um die Uhr zusammen, natürlich auch meine Katze Safier und neuerdings der Nothase Elvis.
Wie heißt es so schön: “Man kann ohne Hund leben, aber es lohnt sich nicht!”
Diana Heit: Was sind Deine Gedanken zur veganen Hundeernährung und wie bist Du darauf gekommen ?
Ramona Herrmann: Da der Hund ein Allesfresser ist, kann man ihn auch vegan ernähren. Wie bei jeder anderen Futterumstellung muss man das schrittweise machen und die Verträglichkeit beobachten. Im Zweifel sollte man sich genauer informieren und den Tierarzt fragen.
Meinem Hund tut die vegane Ernährung sehr gut, das wurde mir auch schon von mehreren Tierärzten bestätigt.
Durch meine eigene Umstellung hab ich mich natürlich auch mit der veganen Ernährungen von Hunden und Katzen befasst.
Es gibt von Tierärzten entwickeltes veganes Hunde- und Katzenfutter, welches meist gut vertragen wird.
Diana Heit: Wie reagieren Veganer und Nicht-Veganer, wenn Du erwähnst, dass Du Deinen Dobermann vegan ernährst ?
Ramona Herrmann: Die meisten denken, dass Hunde Fleischfresser sind und auf Fleisch angewiesen sind. Sogar einige Veganer denken so und halten das für Tierquälerei.
Wer mich kennt, weiß, dass es für mich nichts wichtigeres gibt als meine tierische Familie.
Alle anderen sollen sich erstmal so gründlich über das Thema informieren wie ich, anstatt irgendwelche Aussagen nachzuplappern.
Diana Heit: Falls kritische Kommentare kommen, kommen diese eher von Veganern, Vegetariern oder Omnis ?
Ramona Herrmann: Meistens von Omnis, selten von Vegetariern, bei Veganern herrscht grundsätzlich Einigkeit.
Diana Heit: Hundehalter vergessen gerne, dass das “Fleisch” im Futter ebenfalls mal ein Tier, ein Individuum genau wie “ihr” Hund war. Welche Informationen benötigen Menschen Deiner Meinung nach, um auch für andere Tiere als Hunde und Katzen Mitgefühl zu entwickeln ? Gibt es da Hoffnung ?
Ramona Herrmann: Andere Tiere sind dem Hund oder uns Menschen ähnlicher als wir denken, sie haben die gleichen Grundbedürfnisse. “Nutz”-Tiere, “Haus”-Tiere werden nicht als solche geboren, die jeweilige Kultur zwingt sie in diese Rolle.
In China ist es normal Hunde zu essen, in anderen Ländern sind es Meerschweinchen oder kleine Singvögel. Ist ein Tier weniger wert, weil WIR sie in die Wurst tun?
Ich denke schon, dass es Hoffnung gibt. Im Grunde wollen wir ja nicht, dass Lebewesen für uns leiden müssen. Wenn es möglich ist, entscheidet man sich für die Alternative ohne Tierleid.
Durch die immer bessere Transparenz erfahren die Konsumenten wie unsere “Lebensmittel” produziert werden und überdenken ihr Verhalten. Über Veganismus gibt es inzwischen sehr viele Informationen, was eine Umstellung einfacher macht und vielen auch nicht mehr so “strange” vorkommt.
Diana Heit: Taurin-Zugabe wird bei manchen Hunderassen empfohlen, darunter auch für Dobermänner. Wie stehst Du zu Taurin und Carnitin und was sind Deine Erfahrungen mit Nahrungsergänzungsmitteln in der veganen Hundeernährung ?
Ramona Herrmann: Wichtige Nährstoffe sind wie bei konventionellem Futter meist im Fertigfutter enthalten, außerdem lasse ich meinen Hund regelmäßig durchchecken.
Diana Heit: Was empfiehlst Du Leuten, die vegane Hundeernährung als unnatürliches Aufzwingen der eigenen Lebensgewohnheiten bezeichnen und lieber Rohkost-Fleisch füttern ?
Ramona Herrmann: Schon alleine das “Halten” eines Tieres als “Haus”-Tier ist ein Aufzwingen oder jede Art der Fütterung, denn vielleicht würde sich der Hund seine Mahlzeiten lieber in der Natur suchen?
Bevor man mit Vorwürfen kommt, sollte man sich informieren. Dann kann man es ausprobieren und behält die Gesundheit des Hundes im Auge.
Diana Heit: Bitte noch ein paar abschließende Gedanken. Was möchtest Du veganen und omnivoren Lesern mitteilen ? Hast Du Hoffnungen und Wünsche bezüglich der globalen Entwicklung ?
Ramona Herrmann: In meinen Augen hat jeder Mensch eine gewisse Verantwortung für unsere Umwelt, Mitmenschen und Lebewesen und sollte versuchen so wenig Schaden wie möglich anzurichten. Vegan zu leben ist recht einfach und man kann damit so viel Leid verhindern, das ist doch nicht zuviel verlangt!?!
Solange ich lebe, wird die Welt sicher nicht so wie ich sie mir wünsche. Aber wenn jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten mithilft, lässt sich einiges bewegen.
Diana Heit: Vielen lieben Dank, Ramona, für dieses gelungene Interview