Fragen zum Melken und dem hypothetischen Aussterben von Nutztierrassen.
„ich bin aus ethischen Gründen bekennender Vegetarier, esse aber Milchprodukte. Mir ist bekannt, daß Veganer auch keine Milchprodukte essen. Wie ist das nun mit den Kühen ? Ich habe gehört, daß diese täglich gemolken werden müssen, da ein volles Euter Schmerzen verursacht. Wie ist das mit dem Veganismus zu vereinbaren ?“
Antwort:
Leider nutzen viele Produzenten, Händler und Konsumenten von Tierprodukten eine einseitige Perspektive, um Milch- und Fleischproduktion zu rechtfertigen.
Ein volles Euter muss natürlich geleert werden, ansonsten kann es der Kuh Schmerzen bereiten. Das ist keine Frage. Aber wie kommt diese Situation zustande?
Wenn man das Gesamtbild betrachtet, wird schnell klar, dass es den sogenannten Nutztieren in keiner Haltungsbedingung, egal, ob „bio“ oder konventionell, gut geht.
Kühe geben Milch nachdem sie vom Menschen künstlich befruchtet worden sind und gekalbt haben. Man könnte dasselbe Ergebnis, den Milchfluss (die Laktation), wie bei allen Säugetieren auch durch eine Hormonbehandlung und/oder Stimulation erzielen, die Kälber sind aber „erwünscht“, da sie der Produktion von Kalbfleisch „dienen“.
Wenn die Produktion von Fleisch im Vordergrund steht, bleiben die Kälber oft zumindest zeitweise bei ihrer Mutter. Wenn die Produktion von Milch im Vordergrund steht, werden die Kälber sehr bald nach der Geburt von der Mutter getrennt, in kleinen Kälberbuchten gemästet und aus einem Eimer mit Milchersatz ernährt, bis sie mit zwischen 4 und 8 Monaten getötet werden.
Veganismus lehnt die Ausbeutung von Tieren ab, daher würde auch das Züchten, Befruchten und Melken von Kühen durch den Menschen genau wie jede andere Form der Ausbeutung abgelehnt werden, denn die Praxis des Melkens dient der Milchgewinnung und nicht der Verbesserung der Lebensqualität für Kühe.
Viele Haustierrassen sind Qualzuchten, die zu „Hochleistung“ in der Benutzung durch den Menschen gezüchtet wurden und auf diesen angewiesen sind. Der Veganismus lehnt aber die Ausbeutung von Tieren durch den Menschen ab, daher wird von den meisten Veganern auch die Zucht dieser Rassen abgelehnt.
Zucht und Befruchtung, Kalben, Melken und jegliche Form der Haltung dienen der Milch- und Fleischproduktion, was bekannterweise abgelehnt wird. Also lehnen Veganer natürlich alle diese Praktiken ab.
Auch, wenn es den sogenannten Nutztieren durch bestimmte Haltungspraktiken kurzweilig „besser“ geht (ein volles Euter muss geleert werden, sonst kann es der Kuh Schmerzen bereiten), so ist doch die Gesamtsituation eine, die man keinem Menschen wünschen würde.
Also wünschen mitfühlende Menschen diese Lebensumstände auch keinem Nicht-Menschen, unabhängig davon, ob sie vegan sind oder nicht.
Veganer tätigen den Schritt zu sagen: „Ich möchte mich nicht an diesen Praktiken beteiligen und keine Produkte aus diesen Praktiken und Traditionen beziehen und konsumieren.“
Daher konsumieren „wir“ Veganer keine Milchprodukte oder sonstigen tierische Bestandteile, wannimmer wir es vermeiden können – und das geht fast immer.
Zum Glück gibt es sehr viele nicht-tierische Alternativen und man muss auf keine Leckerei verzichten, sondern sich lediglich ein bisschen umstellen, vor allem beim Einkauf.
Lassen Sie sich nicht durch Werbeversprechen und Beschönigungen von Produzenten, Händlern und anderen fehlinformierten Konsumten täuschen.
Vertrauen Sie auf Ihr Herz und Ihren eigenen Verstand.
Schauen Sie sich nach Möglichkeit an, wie Milchkühe gehalten werden und lassen sie den Gemütsausdruck dieser Tiere auf sich wirken.
„Aber heisst das nicht, daß der Veganismus letztlich zum Aussterben der Kühe führt ?“
Antwort:
Ich persönlich kann in keiner Praxis der Tieragrarwirtschaft erkennen, dass wir Menschen unsere sogenannten Nutztiere sehr vermissen würden, da den Tieren kein emotionaler oder besonders hoher ideeller Wert beigemessen wird, sondern sie als Ware benutzt und gehandelt werden.
Falls (!) alle Menschen vegan würden und falls (!) Menschen daran interessiert wären, Nutztierrassen „vor dem Aussterben zu bewahren“, so gäbe es die Möglichkeit, sie als geschätzte Haustiere zu halten – so, wie wir das bislang auch mit Hunden und Katzen tun, was natürlich auch eine Form des Benutzens von Tieren ist.
Anstatt uns darauf zu konzentrieren, welchen ideellen Verlust wir durch das eventuelle und wenn, dann in weiter Zukunft liegende Aussterben von Nutztierrassen erleiden könnten, könnten wir uns darauf konzentrieren, mit Tieren besser umzugehen und das beinhaltet natürlich, ihnen kein Leid zu zufügen. Und um die Verminderung von Leid (durch das Melken) ging es ja in Ihrer Ausgangsfrage. Es ließe sich aber noch viel mehr Leid vermeiden, indem man Tiere erst gar nicht zu Ausbeutungs- bzw. Nutzungszwecken züchtet.